'Ich hab dich so lange gesucht.'
flüsterte die Stimme eines Mädchens aus der Dunkelheit heraus.
Das gedrungene Licht einer zerfallenden Straßenlaterne schenkte soweit Licht,
dass die Umrisse der beiden Personen zu erkennen waren,
die auf der anderen Straßenseite standen.
Weit in der Ferne verklang das Geräusch einer Feuerwehrsirene.
'Ich kenne dich nicht.'
antwortete eine weitere Stimme.
Das Mädchen richtete ihren Blick zu Boden,
um ihr Gesicht zu verstecken.
Eine Träne löste sich, und tropfte von ihren Kinn.
Sie weinte.
'Die ganze Zeit bin ich dir nachgelaufen,
und jetzt sagst du mir, dass du mich nicht kennen würdest.'
Sie wusste, dass ihre Fassung am seidenen Faden hing.
Die Gestalt der hoch gewachsenden jungen Mannes wandte sich ab.
Ein Wimmern durchschnitt die Stille der Nacht.
Dieses Gefühl allein gelassen zu sein. Und dazu das Wissen, das du es auch bist.
Irgendwie hab ich es die ganze Zeit. Genau beschreiben kann ich es nicht, aber es ist da.
Wie mein Schatten, der mich nun seit 16 Jahren begleitet,
und über den ich nie auch nur einen Sprung gewagt habe.
Ich war noch nie wirklich mutig. Aber manchmal ist Mut nicht das Richtige.
Ich habe keine Angst vor Menschen, die weder mich, noch sich kennen.
Oder vor Menschen die mir nie wirklich wichtig waren.
Denn die einzigen die darüber verfügen dir wirklichen Schmerz zuzufügen, sind die, die du liebtest.
Und genau vor diesen Menschen solltest du den größten Respekt haben.
Allein die Macht etwas in deinem Gefühlsleben anzurichten gibt ihnen den Touch einer Gefahr.
Die schemenhaften Umrisse des Waldrands verschwommen vor meinen Augen.
Gedankenverloren strich ich mit meiner Hand über das raue Papier.
Die Buchstaben zogen sich zu einem Fluss aus unbedeutender Wörter zusammen,
und glitten aus meinem Blickfeld. Ich hatte den Kopf abgewandt und starrte nun mehr an
die weiße Wand, welche ihren Platz direkt neben dem Fenster eingenommen hatte.
Während dieser Platz eingenommen blieb, hatte sich der verwaiste Bereich in meinem Herzen
Immer mehr in seine eigene Welt zurück gezogen. Dort wo alle Menschen sich ein freundliches
Strahlen zeigten, wenn sie aufeinander trafen, wo das Wort Gemeinschaft noch eine wahre
Bedeutung hatte, wo Feind zu Freund wurde, und nicht umgekehrt. Diese fundamentalen
Gedankengänge ließen mich seit einigen Wochen nicht mehr los. Immer mehr versank ich in Träume,
in flüchtige Hoffnungen oder Zuversicht, die sich am Ende als kurze Pause der Realität entpuppte.
Es ist nicht klug sich etwas ausmalen, wenn man genau weiß, dass es nie eintreten wird.
Nie wieder wird etwas so sein, wie es mal war. Vielleicht wird es besser. Vielleicht auch schlechter.
Das einzige was sicher zu sagen ist, dass es immer anders ist. Wie es nun am Ende wird,
dass entscheidest größtenteils du selbst. Sich Gedanken darüber zu machen, wie es wird
verschlechtert die Lage, und bringt dich in die verlockende Versuchung etwas besser zu machen,
als es wirklich sein kann. Und genau dieser Punkt, ist die verlorene Motivation, zu hoffen.
Ich blinzelte und zog das letzte Stück meiner Seele aus meiner Traumwelt. Zog die Tür hinter mir zu,
und schloss sorgfältig ab. Den Schlüssel versteckte ich in meinem Herzen, dort wo ihn niemand mehr
suchen würde. Der Raum, wo so viel Unheil angerichtet wurde.
-Bella.-
Die unangenehm laute Stimme einer erwachsenden Frau durchtrennte die geliebte Verbindung
Zu der Stille. Das darauffolgende Klopfen an der Holztür, welche mich und mein Zimmer von
Der Geräuschkulisse draußen trennte, veranlasste meine Finger ungeduldig auf der Tischplatte zu trommeln.
-Bellatrix.-
Erklang die Stimme erneut, und die Türklinke wurde unsanft in die Tiefe gerissen.
-Warum antwortest du nicht?-
Mein Kopf erhob sich soweit, dass meine Augen in das zerfurchte Gesicht meiner Großmutter
Blicken konnten. Ich strich mir die dunkelbraunen Haare aus dem Gesicht und setzte eine
Verschlossene Miene auf. Wortlos fixierte ich die blassblauen Augen meiner Gegenüber.
Fast brachte ich ein flüchtiges Lächeln zu Stande, als das Spiel der Mimik in ihrem Gesicht einsetzte.
Weil ich weg war. Dachte ich, schwieg aber weiterhin.
-Nun. Ich rede mit dir.-
Erstaunliche Gefasstheit.
-Ich aber nicht mit dir.-
Erklärte ich knapp und stand auf. Eigentlich wollte ich nicht gehen.
Es schien aber nicht so, als würde sie zuerst den Raum verlassen. Hier also mein Klein bei.
Die Täfelung in dem länglich angelegten Flur bestand größtenteils aus heller Eiche.
Und doch beschlich mich das Gefühl im Dunkeln zu tappen. Etwas nicht zu wissen,
Als läge ein unausgesprochenes Bündnis auf dem ganzen Haus, inklusive seiner Anwohner.
Ausgenommen meiner Wenigkeit.
Meine Augen orientierten sich lediglich an den Umrissen der Möbelstücke, die sich nur leicht
Von dem rauchschwarzen Hintergrund abhoben. Schließlich erfasste meine Hand den Messinggriff
Der schweren Tür. Ich zog die auf, und das einzige was blieb, war mein immer kleiner werdender
Schatten, der bald darauf, ganz verschwand. Ich durchquerte der gedrungene Wohnzimmer, wo im
Hintergrund das dumpfe Geräusch des Fernsehers zu hören war, und fand mich in meiner geliebten
Stille wieder. Das Schloss der Eingangstür klackte leise und verkündete meinen Aufbruch. Der Wind
Durchzog die Wipfel der Bäume, und ließ es wie ein Meer aus tiefdunklem Grün wirken. Ich atmete
Tief ein, und spürte wie sich alle die Gerüche von Küste, salzigem Wasser, und dem ausgeprägtem
Geruch des Waldes sich zusammenfügten und meinen Kopf klar machten. Genau das war es, was ich
An diesem Ort liebte. Die Freiheit, welche jedes Mal besitz ergriff, wenn man sich besann, und aus
Dem Alltagsleben hier hin zurückkehrte. In eine abgesetzte Welt, wo man sich erlauben durfte zu
Träumen. Das der Zauber eines solchen Ortes gleichermaßen durch Regelwerk und kleinere
Diktaturen zu recht gewiesen werden konnte, war mir nie so klar vor Augen geführt worden.
Das Bild was sich vor meiner Erscheinung ergötzte verblasste, und zwei walnussbraune Augen
Gerieten in mein Blickfeld. Sie gehörten dem Gesicht eines jungen Mannes.
Ungefähr in meinem Alter. Wenn nicht etwas älter.
Er hatte dunkleres, blondes Haar und lehnte gelassen an einer der Erlen.
Ich erhob meine Hand zu einem höflichen Gruß, doch eine Antwort blieb aus.
Stattdessen verschwand er wieder.
Ohne jede Geste der Verabschiedung. Obwohl mir in diesem Moment klar wurde,
dass auch dieses Bild, nur eine Illusion meiner Gedanken gewesen sein musste,
durchfuhr mich für wenige Sekunden die Rage.
Der kalte Wind, welcher von der Küste ans Festland wehte, ließ mich frösteln.
Ich bemerkte, wie taub mein ganzer Körper war. Meine Hände umfassten den kühlen Griff der Geländers.
Suchend richtete ich meinen Blick auf den Horizont,
wo sich die purpurnenen Farben des Abendhimmels,
mit dem hellen Schein der untergehenden Sonne mischten.
Zusammen ergaben sie eine wunderbare Konstruktion,
doch auch einzeln waren sie ein wahres Meisterwerk ihrer Klasse.
Meine Gedanken schweiften ab,
und ich versankt erneut in meine Traumwelt.
Die Zeit schien still zu stehen, allein für mich.
Ich hatte nie irgendetwas ganz allein für mich gehabt,
und es war ein Genuss, dass ich einmal etwas für mich hatte.
Meine Welt.